Die „One Love“-Binde, Regenbogen-Flaggen, T-Shirts mit der Forderung nach mehr Rechten für iranische Frauen. Alles hat auf Betreiben von Fifa und Gastgeber Katar keinen Platz in den Stadien, weil es sich dabei um politische Botschaft handele. Das gilt aber offenbar nur für solche Botschaften, die dem Gastgeber nicht genehm sind. Bei politischen Anliegen, die auf Linie des Emirats liegen, werden beide Augen zugedrückt. Und die Fifa macht zu dieser Doppelmoral brav Männchen.
„Free Palestine“, ein Slogan, der sich für einen unabhängigen Staat Palästina einsetzt (was für viele die Zerstörung von Israel voraussetzt), ist eine klare politische Botschaft. Und trotzdem – man sieht sie auf Schals in den Stadien, auf Armbinden von Freiwilligen und sogar auf Flaggen auf den Tribünen. Folgen gibt es überhaupt keine. Katar liegt außenpolitisch auf einer Linie mit Palästina. Zu Israel hingegen unterhält der Wüstenstaat keine diplomatischen Beziehungen, Israelis dürfen während der WM nur dank einer vorher beschlossenen Ausnahme einreisen.
Als die marokkanische Mannschaft ihren Sieg im Achtelfinale gegen Spanien feierte, war die palästinensische Fahne mittendrin (die Spieler hielten sie übrigens falsch herum). Auch eine klare politische Botschaft. Wieder gab es keine Folgen. Beim Spiel Niederlande gegen Katar (2:0) sangen viele Fans „Mit Feuer und Blut werden wir Palästina befreien“. Der Gesang war im Stadion gut zu hören, es gibt Video-Aufnahmen, die dieser Redaktion vorliegen.
Die Fifa verweist auf ihre Disziplinarkommission
Die Reaktion der Fifa? Sie versteckt sich hinter ihrer Disziplinarkommission, die „unabhängig“ Ermittlungen einleitet. Das hat sie bei dieser WM schon gegen diverse Fangruppen getan, zumeist wegen Spott-Gesängen gegen deren Rivalen. Gegen die Anhänger der Gastgeber wird nicht ermittelt.
Die Redaktion hat die Fifa mehrfach um Stellungnahme gebeten. Die Antworten waren nichtssagend, wenn es denn überhaupt welche gab. In einer wurde immerhin an das WM-Organisationskomitee verwiesen. Auch dessen Pressestelle wurde mehrfach kontaktiert. Die Anfragen wurden schlicht ignoriert.